Lolo wagt zu viel

Lolo ist der mutigste Löwe von allen. Egal welches Tier in der Savanne man fragt, alle sagen: „Lolo ist mutiger als jeder von uns.“ Und jedes Tier hat eine eigene Geschichte zu Lolo zu erzählen.

Das Zebra sagt: „Einmal habe ich gesehen, wie Lolo mit den Antilopen um die Wette gelaufen ist. Es war eine ganz schwierige Strecke durch die Schlucht und überall lagen Steine, über die man stolpern könnte. Aber Lolo hatte keine Angst und ist jedem Stein einfach ausgewichen. Das hätte ich mich nie im Leben getraut.“

Eine Giraffe erinnert sich: „Neulich habe ich am Wasserloch die letzten Blätter ganz oben aus dem Baum gegessen, da habe ich gesehen, wie Lolo sich an die Krokodile herangeschlichen hat, die im Wasser lagen. Er hat Anlauf genommen und ist dann – hops, hops, hops – einfach von einem Krokodil zum nächsten gesprungen um auf die andere Seite vom Wasserloch zu kommen. Die Krokodile haben ganz schön blöd geschaut, als Lolo sie zum Springen benutzt hat, es war sehr lustig und sehr mutig!“

Und ein kleiner Vogel hat etwas beobachtet: „Vor ein paar Tagen erst hat Lolo den Elefanten ihren liebsten Spielball geklaut. Er hat einfach gewartet, bis die Elefanten sich zum Fressen weggedreht hatten und dann ist er losgerannt und hat den Ball direkt aus ihrer Mitte herausgeholt. Die Elefanten sind natürlich böse geworden und haben versucht, Lolo mit ihren Rüsseln zu fangen, aber Lolo war zu flink für sie. Er konnte allen Elefanten ausweichen und mit dem Ball entkommen! Aber er hat ihn dann später zurückgegeben, Lolo ist nur mutig, nicht gemein!“

So reden die Tiere, die in der Nähe vom Wasserloch leben, über den mutigen kleinen Löwen. Lolo ist sehr stolz darauf, dass alle wissen, wie mutig er ist. Weil er möchte, dass ihn alle immer weiter bewundern, denkt Lolo sich auch immer wieder neue gewagte Aktionen aus, um seinen Mut zu beweisen. Nach der Sache mit den Krokodilen muss er sich etwas richtig gutes einfallen lassen!

Eines Tages kommt ihm die beste Idee: Neben dem Wasserloch steht ein sehr hoher Baum. Er ist so hoch, dass sogar die größten Giraffen mit den längsten Hälsen nicht an die obersten Blätter herankommen. Ganz oben in diesem hohen Baum ist eine kleine Astgabel. In die will Lolo sich hineinsetzen und von ganz oben über die ganze Savanne blicken können. So weit können sonst nur die Vögel schauen!

Lolo wartet, bis alle Tiere am Wasserloch versammelt sind, um zu trinken. Dann marschiert er mutig und ohne zu zögern auf den Baum zu und springt ihn an. Er hält sich mit seinen scharfen Krallen im Holz fest und beginnt zu klettern. Hinter sich hört er die ersten Tierstimmen:

„Schaut euch Lolo an“, ruft ein Elefant.

„Will er etwa ganz nach oben klettern?“, fragt eine Gazelle laut.

Dass alle Tiere ihn jetzt beobachten, spornt Lolo nur noch mehr an. Er ist schon ziemlich weit gekommen, da taucht auf einmal eine Giraffe neben ihm auf. Lolo ist schon genau so hoch wie ihr Kopf!

„Bist du sicher, dass du das schaffen kannst, Lolo?“, fragt die Giraffe.

„Na klar“, sagt Lolo, „ich bin der mutigste Löwe von allen und schaffe alles!“ Und schon klettert der Löwe weiter am Baum hinauf. Hier oben ist es schon ziemlich windig, manchmal muss sich Lolo besonders gut festhalten, um nicht vom Baum geweht zu werden. Die Tiere von unten auf dem Boden kann er schon lange nicht mehr hören, weil er schon zu weit weg ist. Dann hat Lolo die Astgabel erreicht! Er wusste die ganze Zeit, dass er es schaffen würde. Stolz zieht er sich hoch, setzt sich auf den Baum und dreht sich um, um ein Siegesgebrüll anzustimmen. Aber er bekommt keinen Ton heraus!

Als Lolo sich umdreht, sieht er zum ersten Mal, wie weit oben er wirklich ist. Das Wasserloch und die anderen Tiere sind unendlich weit weg und ganz ganz klein. Lolo schluckt und hält sich am Baum fest. Von unten sah das nicht so weit aus. Der kleine Löwe traut sich nicht, sich zu bewegen. Er hat Angst, dass er herunterfallen könnte. Zum ersten Mal in seinem Leben hat Lolo Angst. Auf den Baum zu klettern war vielleicht doch keine so gute Idee. Wie soll er nur wieder herunterkommen? Er kann sich ja gar nicht mehr bewegen.

Eine ganze Weile sitzt Lolo oben auf dem hohen Baum und hat Angst. Da kommt ein Vogel zu ihm herangeflattert und setzt sich neben ihn.

„Alles okay Lolo? Du siehst blass aus“, sagt der Vogel.

Lolo zögert, weil er nicht will, dass die anderen Tiere wissen, dass er Angst hat. Aber er braucht auch Hilfe, um wieder vom Baum herunterzukommen.

„Eigentlich ist nicht alles okay“, gibt Lolo zu, „ich habe Angst und komme nicht wieder vom Baum runter.“

„Sag das doch gleich, das ist kein Problem! Wir sind alle schon beeindruckt, dass du es bis nach oben geschafft hast. Warte hier.“ Damit flattert der Vogel wieder davon. Lolo wartet, so wie vorher auch. Schließlich kommt der Vogel zurück, mit einem ganzen Schwarm anderer Vögel.

„Vertraust du uns?“, fragt der Vogel, der zuerst zu Lolo geflogen war.

„Ja, bitte helft mir runter“, bittet Lolo.

Der Vogelschwarm kommt zum kleinen Löwen geflogen und Lolo spürt, wie er von ganz vielen Vögeln gleichzeitig gepackt wird. Dann wird er vom Baum gehoben. Lolos Herz schlägt wie wild. Jetzt schwebt er ganz weit über dem Boden und nur die Vögel halten ihn.

Aber alles geht gut. Der Vogelschwarm setzt Lolo sicher wieder am Fuß des Baumes ab, wo ihn alle Tiere in Empfang nehmen.

„Toll geklettert“, sagen sie. Und: „Das hat noch niemand geschafft!“

„Danke, sehr lieb von euch“, sagt Lolo, „aber ich hatte richtig Angst oben auf dem Baum, ohne die Vögel hätte ich es nie da herunter geschafft.“

An diesem Tag lässt Lolo sich nicht mehr für seinen Mut feiern. Immer wenn ein Tier zu ihm kommt, um ihm zu seiner tollen Leistung zu gratulieren, schickt Lolo sie weiter zu den Vögeln. Heute sind sie die mutigsten Tiere am Wasserloch.