Schatten über dem Königreich – Teil 2

Die Prinzessin und der Prinz eilten durch die Stadt in Richtung Wald. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Königreichs machten große Augen. So eilig hatten es die Prinzessin und der Prinz noch nie gehabt. Aus allen Fenstern der Stadt beobachteten Menschen, wie die beiden durch den Regen liefen.

Der Wald begann direkt am Rand der Stadt. Unter den Bäumen machten die Prinzessin und der Prinz eine kurze Pause. Die Blätter schützten sie ein wenig vor dem Regen. Sie pflückten sich ein paar Äpfel und aßen, bis sie satt waren. Im Wald lebten viele Tiere und die Prinzessin und der Prinz waren mit fast allen von ihnen befreundet. In ihrem Königreich ging es nämlich nicht nur den Menschen, sondern auch den Tieren gut. Normalerweise kamen sie sofort angelaufen, wenn die Königskinder den Wald betraten, aber wegen des Regens versteckten die meisten Tiere sich genau wie die Menschen. Nur ein kleines Reh kam zur Begrüßung. Auf seinem Rücken saß eine alte Eule, die die Prinzessin und der Prinz schon ihr ganzes Leben lang kannten.

„Es ist schön, euch zu sehen“, krächzte die Eule, „ihr seid lange nicht in den Wald gekommen.“

„Wegen des Regens“, sagte der Prinz.

„Aber jetzt sind wir hier, um das schlechte Wetter zu stoppen“, sagte die Prinzessin.

„Das könnt ihr?“, fragte das kleine Reh aufgeregt.

„Was habt ihr vor?“, fragte auch die alte Eule.

Die Prinzessin und der Prinz erzählten von der bösen Fee, die das Königreich verflucht und sich dann im Wald versteckt hatte.

„Es stimmt, ich habe vor einiger Zeit eine Fee in den Wald kommen sehen“, überlegte die Eule. „Ich glaube, sie hat sich in den Brombeerbüschen versteckt.“

„Dann werden wir sie finden“, sagte der Prinz, der sich gut in den Brombeerbüschen auskannte.

„Und wir werden sie überzeugen, den Fluch zurückzunehmen“, sagte die Prinzessin.

Die beiden schenkten ihre letzten Äpfel dem Reh und der alten Eule und wanderten dann durch den Wald. Den Weg zu den Brombeerbüschen konnten sie im Schlaf. Es war auch ihr Lieblingsversteck, wenn sie im Wald spielten.

Die Brombeerbüsche waren ganz durchnässt und überall tropfte der Regen auf die Erde. Hier regnete es am stärksten.

„Bestimmt, weil die Fee sich hier versteckt“, sagte die Prinzessin.

Gemeinsam krochen die Prinzessin und der Prinz unter den Dornenranken hindurch und in die Büsche hinein. Hier war genug Platz, um stehen zu können. Schon entdeckten sie die kleine Fee. Sie versuchte, sich zu verstecken, aber sie leuchtete und war hinter den Blättern der Brombeerbüsche leicht zu sehen.

„Hallo Fee“, sagte die Prinzessin, „bitte, bitte erlöse unser Königreich von deinem gemeinen Fluch.“

„Niemals“, sagte die Fee und flatterte aus ihrem Versteck. „Ihr habt den Regen verdient!“

„Aber warum denn?“, fragte der Prinz, „wir waren doch immer gut und gerecht zu allen.“

„Aber nicht zu mir“, sagte die Fee, „euer ganzes Königreich hat Spaß und ist glücklich, aber ich bin ganz alleine.“

Da verstanden die Prinzessin und der Prinz, dass die Fee gar nicht wirklich böse, sondern nur einsam und traurig war.

„Liebe Fee“, sagte die Prinzessin, „du musst doch gar nicht alleine sein. Komm mit uns mit und du kannst bei uns im Schloss wohnen und mit uns spielen, wann immer du willst.“

„Wirklich?“, fragte die Fee, „das würde mir sehr gefallen.“

„Natürlich“, sagte der Prinz, „lass uns aus dem Wald verschwinden und uns ins trockene Schloss setzen.“

Da freute die Fee sich und mit ihrer schlechten Laune löste sich auch der Fluch in Luft auf. Sofort verzogen sich die Regenwolken und die Sonne strahlte wieder auf das Königreich.

Auf dem Weg ins Schloss stellten die Prinzessin und der Prinz die Fee in der Stadt den Leuten vor. Zur Feier des Tages sollte am Abend ein großes Fest auf dem Marktplatz stattfinden und alle waren eingeladen, sogar die Fee. Von da an sorgte die Fee mit ihrem Zauber nur noch für Gutes und die Menschen im Königreich waren so glücklich wie noch nie zuvor.